NFUFS AUF VINYI
„Schwarzhörern" em pfiehlt STEREO
monatlich die besten Schallplatten
des „Schwarzmarktes"
A nto n io V ivaldi
THE FOUR SEASONS
Exhibit/Audio Int'l, audicton.com
Diese Produktion ist in jeder Hin-
sicht besonders: Die „Chinese
Baroque Players“ spielen Vivaldis
immer wieder gern gehörte „Vier
Jahreszeiten“ auf traditionellen
Instrumenten ihrer Heimat. Was
zunächst skurril erscheint, funk-
tioniert überraschend gut. Das
etwa mit Bambusflöte oder chinesi-
scher Laute bestückte Sextett trifft
die unterschiedlichen Stimmungen
des Werks sicher, präsentiert sie
zugleich jedoch in der typischen,
wie mit spitzen Fingern abgezirkel-
ten, statischeren Diktion des asia-
tischen Kulturkreises und deshalb
oft nur in Andeutung der originalen
Verve. Ein durchaus reizvolles Hör-
erlebnis!
Als Ort für die Zwei-Mikrofon-
Aufnahme auf eine analoge Studer-
Bandmaschine wählte Produzent
KK Wong statt des sterilen Studios
die Atmosphäre eines Hauses in
der Provinz und spielte die Sätze
in jeweils einem Take ein, um die
Unmittelbarkeit des Vortrags zu er-
halten. Störungen inklusive: Nicht
nur am Schluss des „Herbst“ hört
man kurz fernes Autohupen.
Zugleich stellt Wong mit dieser
Veröffentlichung von
2009
sein
„AudioXakt Master’s Match“-Mas-
tering-System für den Schritt ins
Digitale vor. In der Innenhülle der
Platte steht ein schier ellenlanger,
zuweilen launiger, dann wieder ver-
quaster englischer Text über Aspek-
te wie den typischen CD-Klang bis
hin zum richtigen Vorgehen bei der
Boxenaufstellung. Zudem steckt
dort auch eine Disc mit der CD-Fas-
sung der Musik, was in die Tiefe
gehende Vergleiche ermöglicht.
Von beiden Tonträgern ist der Klang
einfach superb, wobei neben der
Feindynamik die räumliche Staffe-
lung sowie die vollkommen gelöste
Aura bestechen. In den langsamen
Sätzen stellt sich - beinahe noch in-
tensiver als bei Originalinstrumen-
tierung - eine geradezu meditative
Stimmung ein. Dieses mit viel Liebe
und Leidenschaft gemachte Album
ist ein audiophiles Statement - in
Anspruch und Ausführung gleicher-
maßen!
Matthias Böde
M aggie & Terre Roche
SEDUCTIVE REASONING
Columbia/Speakets Cotnet LP, dacapo-tecotds.de
Die kleine Schwester Suzzy war
noch zu jung, als die schon öffent-
lich ihre Sangeskünste vorführen-
den Maggie und Terre Roche in
der Folk-Szene bekannt und von
Paul Simon für Harmoniesgesang
bei den Sessions zu „There Goes
Rhymin’ Simon“ engagiert wurden.
Das war Jahre, bevor das Trio - von
Gitarrist Robert Fripp in eindrucks-
voller „Audio verite“-Ästhetik pro-
duziert - sein Debüt gab und die
Karriere mit dem Meisterwerk „The
Roches“ (
1979
) abhob. Nachdem
ihn die Schwestern so harmonisch
bei „Was A Sunny Day“ begleiteten,
fand Paul Simon, dass die Zeit reif
für eine eigene LP sei.
Aufgenommen wurde die an
demselben Ort, an dem die Rolling
Stones
1969
kurz vor dem Alta-
mont-Auftritt „Brown Sugar“ und
ihre Coverversion von „You Gotta
Move“ eingespielt hatten, nämlich
in den Muscle Shoals Studios, in
denen für „Rhymin’ Simon“ auch
sechs Songs mit der berühmtem
Rhythm Section produziert worden
waren. Simon spielte selber mit
und verpflichtete Cracks wie John
Hall (Gitarre) und Johnny Gimble
(Fiedel), außerdem für drei Songs
- weil er den für diese als ideal
betrachtete - als Produzenten Paul
Samwell-Smith, der die berühmten
LPs von Cat Stevens betreut hatte.
Das Niveau an Sophistication wie
beim Einstand als Trio hatte Maggie
Roche
1975
bei ihren Songs noch
nicht erreicht. Aber fast, wie die
mit Country flirtenden Folksongs
im
Rückblick hinreichend
be-
weisen. Der ziemlich puristische
Country-Song hier kommt mit dem
für das Genre abartigen Titel „If
You Emptied Out All Your Pockets
You Could Not Make A Change“,
während „Malachy’s“ - Folk pur
- an die McGarrigle-Schwestern
erinnert, die ihr Debüt im selben
Jahr vorlegten - dabei Maggie mit
ihrer Alt-Stimme mehr an Kate und
Terre als Sopran klar an Anna. In
Liebesdingen war Schwester Mag-
gie ihrem Alter zum Trotz schon so
erfahren, dass sie auch mal frivole
Verse reimte wie „Good men want
a virgin/ So don’t give yourself too
soon/Except in an emergency/Like
underneath the moon.“ Als Archiv-
ausgrabung Liebhabern fortge-
schrittener Folk-Sangeskunst sehr
zu empfehlen.
Franz Schöler
George Gershwin
RHAPSODY IN BLUE,
AN AMERICAN IN PARIS
Columbia Symphony Otchestta, New Yotk Philhat-
monic, Leonatd Bernstein; Columbia Mastetwotks/
Speakets Cotnet, ethältlich bei vinylkatalog.de
Wohl kein anderer klassischer Di-
rigent (neben André Previn) war so
selbstverständlich in der Welt des
Jazz zu Hause wie Leonard Bern-
stein. So nimmt es nicht Wunder,
dass sich der US-amerikanische
Tausendsassa die „Rhapsody In
Blue“, wo Spätromantik und frü-
her Jazz eine Synthese eingehen,
beispielhaft aneignete. Schon das
Klarinettenglissando zu Beginn der
„Rhapsody“ gibt einen Fingerzeig
darauf, wie natürlich hier geswingt
wird, wie überhaupt Bernstein, der
vom Flügel aus dirigiert, spielerisch
das richtige Maß zwischen Noten-
text und interpretatorischer Freiheit
findet.
Und diese wunderbaren Aufnah-
men von
1958/1959
überzeugen
auch tontechnisch. Zwar gibt es
in
puncto
Schönklang
(noch)
audiophilere
Beispiele,
aber
vorliegende
Aufnahme
bildet
die Instrumentengruppen sehr
realistisch und präsent ab, ohne
effekthascherisch zu wirken. Leider
hat man die Etiketten von A- und
B-Seite vertauscht, aber das bleibt
der einzige Schönheitsfehler dieser
bei Pallas sehr gut gefertigten LP.
Da bereits die CD viel analoges Flair
hat (inklusive leichtem Rauschen
an leisen Stellen), tönen beide Me-
dien sehr ähnlich. In jedem Fall ein
Album, das selbst Klassikmuffeln
Spaß bringen wird!
Andreas Kunz
Loreena Mc K e n n itt
THE JOURNEY SO FAR
Quinlin Road LP, ethältlich bei vinylkatalog.de
„The Journey So Far“ ist eine
Retrospektive von Loreena Mc
Kennitts Schaffen, die in Form
einer bezahlbaren,
einwandfrei
gefertigten
180
-Gramm-Pressung
vorliegt. Ihre Musik ist Entspan-
nung pur, mystisch, sphärisch,
dabei thematisch intellektuell (et-
wa von Shakespeare geprägt) und
in der Regel auch klangtechnisch
exzellent. Das gilt auch für diese
Kompilation, die durchsichtig, ge-
löst und stimmig produziert aus
den Boxen kommt. Tatsächlich ist
die durchgehend mühelose Luftig-
keit des Klangs ein Kriterium, das
Aussagen über die Qualität der Ab-
hör-Kette erlaubt. Leider handelt es
sich bei manchen der (Hit-)Songs
um gekürzte „Album-Versionen“,
aber ansonsten hätte man wohl
eine Doppel-LP bemühen müssen.
Gerade für Neugierige bietet „The
Journey So Far“ in jedem Fall eine
Eintrittskarte in die faszinierende
Musikwelt dieser Künstlerin.
Tom Frantzen
STEREO 5/2014 127